Sigrid Beyer Bürgerforum Osten stellt eine einzige Frage: Wie steht es um die Zukunftsfähigkeit der Gemeinde?

 Sigrid Beyer gibt hier ihre Gedanken zur Diskussion

Wir veröffentlichen die Fragen und Hintergrundpapiere zum Antrag von Sigrid Beyer  im Ostener Rat, einen Runden Tisch zur Zukunftsfähigkeit ihrer Gemeinde in Kooperation oder sogar Fusion einzurichten. Diese Aussagen sind sehr verantwortungsvoll, sachlich und mit großer Leidenschaft für ihre Ostener Gemeinde entwickelt worden.

„Die Gemeinde Osten blutet finanziell seit Jahren aus und hat in ihrem Haushaltsetat immer weniger Gestaltungsspielraum für (größere) Investitionen. Mit Mühe werden die Kosten für den Erhalt des Ist-Zustands und der kommunalen Aufgaben aufgebracht. Das beeinträchtigt auch die Attraktivität des Ferienortes Osten.

Möglichkeiten, womit die Einnahmen wirkungsvoll erhöht werden können, schließen sich aus. Bauplätze darf die Gemeinde Osten raumordnerisch nur für den eigenen Bedarf ausweisen. Die noch vorhandenen Bauplätze sind Baulücken außerhalb des zentralen Ortes und die Eigentümer beabsichtigen auch keinen Verkauf. Diese Einschränkung für die Bebauung bedeutet, dass Zuzüge nicht möglich sind. Ohne die Möglichkeit von Zuzügen oder Baugebiete aber stirbt das Dorf, wird die Abwanderung in die Stadt noch verstärkt. In der Vergangenheit aber hat sich gezeigt, dass die jüngeren Baugebiete recht schnell besiedelt wurden, zum Teil von jungen Erwachsenen, die in Osten aufgewachsen sind, aber auch von zugezogenen Familien. Das bedeutet auch, dass die Schülerzahlen auch aufgrund der demografischen Entwicklung weiter kontinuierlich sinken werden, weil es keinen Zuzug junger Familien gibt und damit Schüler für die Grundschule. Es droht also früher oder später eine Schließung, mit viel Glück kann sie eine Außenstelle einer Grundschule von Hemmoor werden.

Mehrere Einzelhandelsgeschäfte haben in den letzten 15 Jahren aufgegeben. Damit sinkt die Attraktivität des Ferienortes Osten und Gewerbesteuern fallen weg. Die Gemeinde darf aber auch kein Gewerbegebiet ausschreiben, so dass auch diese Einnahmemöglichkeit entfällt. Die Aussichten für die Zukunft der Gemeinde Osten sind demzufolge nicht rosig. Es ist höchste Zeit, über die Zukunftsfähigkeit der Gemeinde Osten sich Gedanken zu machen, Ideen und Visionen zu entwickeln, soll sie nicht eines Tages in einer Zwangsfusion enden.

Wie soll der Ort im Jahr 2030 aussehen? Wäre es daher nicht sinnvoller, freiwillig den Prozess einer Kooperation mit der Stadt Hemmoor an einem Runden Tisch vorzubereiten, mit der Option, mitentscheiden, mitgestalten und verhandeln  zu können?

Überlegungen zu einer Fusion/Kooperation mit der Stadt Hemmoor:

 

  1. Die Ausweitung des HVV-Tarifs bis Hemmoor, voraussichtlich ab 2019, macht die Region für Pendler attraktiver. Die Stadt Hemmoor schreibt ein Baugebiet nach dem anderen aus, während Osten dies raumordnerisch nicht darf. Die hohen Miet- und Immobilienpreise im Speckgürtel von Hamburg tragen dazu bei, dass Menschen sich eher mit dem Gedanken befassen, zum Arbeitsplatz zu pendeln und dafür preiswerter und auch schöner zu wohnen.
    Eine Fusion/Kooperation könnte dazu beitragen, dass im Ort unter der Stadt Hemmoor ein neues Baugebiet ausgeschrieben werden könnte – z.B. auf der anderen Seite vom Dorffleet. Der Zuzug von Familien und Pendlern bedeutet mehr Einwohner, mehr Kinder und damit u.a. auch den Fortbestand der Grundschule.

 

  1. Die Stadt Hemmoor beabsichtigt mit einem neuen Spielplatzkonzept, das Kinder und Jugendliche beteiligt, die Attraktivität und Lebensqualität der Stadt zu verbessern. Der Jugendtreff in Osten wurde mit dem der Stadt Hemmoor zusammengelegt. So fehlen in der Gemeinde zunehmend attraktive Angebote für Kinder und Jugendliche. Und eine Erweiterung des Angebots ist Osten aus finanziellen Gründen nicht möglich.
    Eine Fusion/Kooperation mit der Stadt Hemmoor bietet die Chance, dass Osten am Projekt (Mitglied im „Verein für Kinder- und Jugendbeteiligung in der Kommune“) beteiligt Da die Kinder nach der 4. Klasse ohnehin die weiterführenden Schulen in der Stadt Hemmoor besuchen, sowie der Jugendtreff sich dort befindet, ist es naheliegend, in diesem Bereich eng mit der Stadt zusammenzuarbeiten. Damit könnte auch eine Erweiterung des Schulhofes in Osten als attraktiver Spielplatz verbunden sein.

 

  1. Die Abwanderung gerade junger Leute in die Ballungsgebiete zu Ausbildung oder Studium führt zur Überalterung der ländlichen Gebiete. Kleinere Gemeinden verlieren zusehends ihre Zukunftsfähigkeit. Fusionen aber könnten diesen Fliehkräften entgegenwirken.
    Mitunter kehren junge Menschen, die in der Region aufgewachsen sind, nach einigen Jahren mit ihren Familien zurück, wenn sie sich in ihren Berufen etabliert haben. Auch ihnen sollten die Kommunen attraktiv erscheinen, um wieder dort leben zu wollen. Dafür sind Bauplätze im Angebot verlockender als alte Häuser zu erwerben und kostenintensiv zu sanieren. Es ist von zentraler Wichtigkeit, die Wohn- und Lebensqualität in Hemmoor und Osten zu steigern – generationenübergreifend.
  2. Ein Großteil des täglichen Bedarfs decken die Einwohner von Osten in Hemmoor und nutzen damit auch das Angebot von Ärzten und Dienstleistungen, sie tragen also dazu bei, dass in der Stadt die Wirtschaftskraft gesteigert wird. Als Stadtteil von Hemmoor bietet sich für Osten die Chance, die höhere Wirtschaftskraft gemeinsam zu nutzen, das Geld, das die Einwohner in Hemmoor ausgeben, fließt teilweise so wieder in den Ort zurück. Osten wäre mitten drin statt außen vor!

 

  1. Hemmoor ist Mittelzentrum und kann aufgrund seiner Bodenqualität Gewerbegebiete nur sehr begrenzt ausweisen. Sollte die Kommune aufgrund dieser misslichen Lage diesen Status verlieren, gerät die gesamte Region zusätzlich in große Schwierigkeiten.
    Die Kooperation mit Osten bietet also auch hinsichtlich der künftigen A 20 und deren Zubringer (B 495 und „Ferlemann-Bogen“) die Chance, entlang dieser Strecke Gewerbe anzusiedeln und damit Arbeitsplätze zu schaffen.

 

  1. Auch verwaltungstechnisch spricht einiges für eine Fusion. Derzeit gilt es in der SG-Hemmoor z.B. vier Haushaltspläne aufzustellen (Stadt, Osten, Hechthausen und SG Hemmoor), verwaltungstechnische Zuständigkeiten werden penibel auf die jeweilige Gemeinde sortiert, was enorm aufwändig und zeitintensiv für die Verwaltung ist (aber auch manchen Pragmatiker enorm nervt).
    Eine Fusion wäre ein Anfang, diese umständlichen Strukturen nach und nach zu vereinfachen und Zeit für neue und wichtige Aufgaben freizusetzen. Kommunale Aufgaben werden zentriert und lassen sich effektiver lösen, auch finanziell. Denn eine Einheitskommune als Mittelzentrum bietet mehr Möglichkeiten, den Status eines Mittelzentrums wirkungsvoll zu erfüllen, insbesondere auch aufgrund der Grenzlage zwischen den Landkreisen Cuxhaven und Stade.

 

  1. Eine Fusion sollte weder eine Übernahme noch eine Unterwerfung sein, sondern ein gemeinsames Planen, Handeln und Werben für das „Mittelzentrum Hemmoor“ zugunsten beider Orte. Eine Begegnung auf Augenhöhe in Beratungen und Verhandlungen ist unabdingbar. Dafür wäre ein Runder Tisch „ Zukunft Osten – Hemmoor“ zu bilden, wo das Wohl der Einwohner beider Orte im Mittelpunkt zu stehen hat, wo sich Interessen ausgleichen und ergänzen.
    Bei Entscheidungen wirken immer auch die Vertreter der Stadtteile mit und sorgen für Interessensausgleich.

 

  1. Seitens des Fährvereins in Osten wurde ein Antrag gestellt, die Schwebefähre, gemeinsam mit den acht verbliebenen Fähren weltweit, als Weltkulturerbe der UNESCO anzuerkennen. Für den Bereich Tourismus ist dies eine weitere Attraktion und ist im Landkreis das einzige Weltkulturerbe.

 

  1. Es gibt Absichten, den ländlichen Raum mit Bundes- und Landesfördermitteln zu stärken. Die Chancen, durch federführende Projekte wie z.B. Fusionen an Fördermittel zu gelangen sind größer, als wenn jede Kommune für sich ihr Süppchen kocht.

 

  1. Die Zeit für lokale Differenzen und Eitelkeiten, offene Gräben und Ressentiments sind vorbei. Welche Gemeinde heute zukunftsfähig sein will, kann in unserer recht dünn besiedelten Region nur durch Fusionen mit anderen Orten überleben. Daher gilt es gemeinsam für Osten und die Stadt Hemmoor eine Zukunft zu gestalten.
    Andere Kommunen sind diesbezüglich weiter (z.B. Geestland, Hadeln) und arbeiten bereits an Konzepten, die ihre Attraktivität noch mehr steigern; die SG  Hemmoor gerät ins Hintertreffen.

Osten könnte formal ein Stadtteil von Hemmoor sein, aber es wird seinen individuellen, 800-jährigen Ortscharakter und soziale Struktur behalten. Eine Vernachlässigung, auch anderer Stadtteile, zugunsten eines oder zweier zentralen Teilen, wird Osten nicht mittragen.

Unter diesen Gesichtspunkten können wir es uns nicht mehr länger leisten, im eigenen Saft zu schmoren, neidvoll nach Hemmoor oder auf andere Gemeinden zu blicken, die sich für ihre Zukunft aufstellen. Für Differenzen der beiden Orte Hemmoor und Osten, die viele Jahre zurückliegen oder gar schon historisch sind, haben Zugezogene Bürger ohnehin kein Verständnis. Sie haben ein Interesse daran, dass der Ort, an dem sie gerne wohnen, sich für die Zukunft fit macht – und sei es durch eine Fusion.

Gemeinsam sind wir stärker – mitten drin statt außen vor!

Gedanken zu einer Fusion / interkommunaler Kooperation anhand eines Artikels in „Die niedersächsische Gemeinde“ des NSBG 5/2017

 

Laut diverser wissenschaftlicher Studien ergaben Gebietsreformen keine wesentlichen Kosten- und Effizienzgewinne: Kommunale Gesamtausgaben, Verwaltungseffizienz  und

-qualität, die Verschuldung, das Bevölkerungswachstum haben sich nur wenig verändert. Jedoch die lokalen Demokratieräume veränderten sich in wesentlich höherem Maße als zuvor angenommen: Die Zufriedenheit mit Verwaltung und Demokratie, die Wahlbeteiligung bei Kommunalwahlen und die Kandidaturen bei Kommunalwahlen sinken. Die Stimmen für populistische Parteien sowie die Ungleichheit zwischen den Ortsteilen steigen. Die gefühlte Distanz zur Kommunalpolitik nimmt zu (das Gewicht der eigenen Stimme wird weniger, der Anreiz zur Stimmabgabe bei Kommunalwahlen sinkt). Gleichgültigkeit gegenüber dem Wohnort breitet sich aus und das ehrenamtliche Engagement geht zurück. Damit im Falle einer Fusion/interkommunalen Kooperation unserer Kommune diese negativen politischen Nebenwirkungen auf die Demokratie erst gar nicht eintreten können, gilt es bei Verhandlungen darauf zu achten, dass der zentrale Blick den demokratischen Interessen und dem Wohl der Einwohner gilt.

Wichtige Verhandlungs- und Gesichtspunkte für Verhandlungen:

Eine Fusion/interkommunale Kooperation darf nicht von Politik oder Verwaltung „verordnet“ werden. Die Einwohner müssen in Bürgerversammlungen über die Gründe informiert und an diesem Prozess mit eigenen Ideen und Vorschlägen beteiligt werden.

  • Bürgernähe ist ein zentraler Punkt, damit sich die Einwohner nach wie vor in ihrem Ort wohlfühlen, sich mit ihm identifizieren und sich ehrenamtlich in Vereinen, Kommunalpolitik etc. engagieren.
  • In den Kommunen muss vor Ort ein Ansprechpartner beibehalten werden, Personen mit VermittlerfunktionenB. Ortsräte, Ortsvorsteher, die von Bürgern in ihren Anliegen angesprochen werden können, um dem Gefühl der Heimatlosigkeit entgegenzuwirken. Verwaltungsbereiche können auf die Kommunen aufgeteilt werden, damit Rathäuser/Gemeindeverwaltungen nicht geschlossen werden müssen.
  • Durch kleinere Einheiten von EntscheidungsgremienB. Ortsräte – das können gewählte Kommunalpolitiker der bisherigen Ratsgremien sein, die über ein gewisses Budget verfügen, das nur der jeweiligen Gemeinde zur Verfügung steht – kann dem Gefühl des Rückzugs des Staates aus der Fläche entgegen wirken.
  • Steigender Arbeitsaufwand für Kommunalpolitiker entsteht erst gar nicht, wenn die bisherigen demokratischen Struktur in etwa beibehalten Dies stärkt auch die Verankerung der Demokratie in den Gemeinden/Stadtteilen.
  • Kooperationen sollten eine Ungleichheit der Stadtteile/Gemeinden verhindern, es gilt das WIR-Gefühl in der Bevölkerung zu stärken. Dies geschieht auch durch gemeinsame Projekte der kooperierenden Kommunen.
  • Unterschiedliche Bedürfnisse von Stadt und Umland z.B. hinsichtlich Gebühren oder Hebesätze können Berücksichtigung finden, vor allem im Verhältnis von zentralen zu entfernten Stadtteilen/Gemeinden.
  • Stadtteile/Gemeinden behalten ihre traditionellen Strukturen und Eigenheiten, der Vorteil einer interkommunalen Kooperation liegt in der Außenwirkung und im Vertreten gemeinsamer Interessen, in der Zusammenarbeit bei Anschaffungen und der finanziellen Förderung seitens des Landes Niedersachsen.
  • Bei der Kooperation zweier oder mehrerer Samtgemeinden (z.B. Bederkesa und Langen = Geestland) kann, um die Gleichwertigkeit der beteiligten Gemeinden nach außen zu zeigen, ein neuer Ortsnamen unter Beteiligung der Bürger gefunden werden.
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